Die Wachstumshaltung - Stress und Gesundheit in pädagogischen Berufen

 

 

„Was auch immer geschieht, du darfst nie so tief sinken, den Kakao, durch den man dich zieht, auch noch zu trinken.“ (Erich Kästner)

 

„Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen.“ (Albert Camus)

 

 

 

Oft wird die Tätigkeit von Eltern, Lehrern oder Erziehern mit einer Art Sisyphos-Tätigkeit verglichen: In diesem Umfeld Tätige sehen sich einer Vielzahl an Forderungen und Aufgaben ausgesetzt, die Gesellschaft und Einzelne tagtäglich an sie richten, oft ohne die Rahmenbedingungen entsprechend gestaltet zu wissen. Lehrer gehören gar zu den gefährdetsten Berufstätigen, wenn es um psychosomatische Erkrankungen oder um Burnout geht. Jedoch bleibt circa ein Drittel aller Lehrer/innen weitgehend von derartigen Erkrankungen verschont, hat überdauernd Freude am Beruf und ist langfristig leistungsfähig. Es gibt also auch im pädagogischen Kontext offenbar Positionen und Wege der dauerhaften Gesunderhaltung oder Genesung, die nicht allein Anlagefaktoren zuzuschreiben sind. Besonders hervorzuheben ist diesbezüglich eine grundsätzlich konstruktive Grundhaltung dem Leben und seinen Widrigkeiten gegenüber, die ganz im Sinne der positiven Psychologie auf Ressourcen- und Prozessorientierung ausgerichtet ist, statt mir dem „Rotstift im Kopf“ fehler- oder defizitorientiert zu sein – dies gilt sowohl im Umgang mit sich selbst als auch mit Kindern und Jugendlichen. Sich selbst und andere lebenslang als Lernende in einem fortwährenden Wachstums- und Entwicklungsprozess zu begreifen, der, da nicht linear,) neben Fortschritten immer auch Pausen und Rückschritte beinhalten muss, stellt eine weitere Stress reduzierende Haltung dar; zumal dann, wenn man sich selbst dabei nicht als Einzelkämpfer begreift, sondern schon früh damit beginnt weitere Ressourcen zu erschließen und „Netzwerke der Unterstützung“ aufzubauen.

 

 

 

Positiver und negativer Stress (Eu- und Dysstress)

 

 

Flowerlebnisse repräsentieren die wohl intensivsten Eustress-Erfahrungen. Der Begriff „Flow“ (nach Csikzentmihalyi, 2002) beschreibt einen Zustand, in dem ein Mensch völlig in einer Tätigkeit vertieft und ganz bei der Sache ist. Konzentration und Kontrolle sind hoch, Alltagsnöte und Sorgen treten in den Hintergrund, das Zeitgefühl verändert sich. Es herrscht eine optimale Relation zwischen Leistungsanforderung und Leistungsfähigkeit. Dabei macht nicht der Inhalt eine Flowaktivität aus, sondern einzig deren subjektiv attribuierte Qualität. Letztlich führt eine derartige Aktivität nach deren Abschluss zu einem Gefühl von Glück, Selbstbestätigung und tiefer Freude. Sich angemessene neue Herausforderungen zu suchen bzw. Fehler als notwendiges Mittel den eigenen Weg und Lernprozess zu korrigieren, sind demnach wahre Quellen lebenslangen Wohlbefindens.

 

Während Eustress die Leistungsfähigkeit steigert, die Konzentration verbessert und Zufriedenheit erzeugt, belastet Dysstress Kreativität und Tatkraft, führt zu Überanstrengung und erzeugt Unzufriedenheit (vgl. auch psychosomatische Reaktionen wie Angst, Depressivität, Nervosität oder auch Muskelverspannungen und Herzkreislauferkrankungen). Treten negative Stresserlebnisse regelmäßig über einen längeren Zeitraum auf, werden psychisches wie physisches Befinden massiv negativ beeinflusst – bis hin zu schwerwiegenden Erkrankungen, wie zum Beispiel dem sog. Burn-out, einem sehr komplexen Krankheitsbild, das vor allem durch drei zentrale Merkmale gekennzeichnet ist:

 

-          anhaltende emotionale Erschöpfung,

-          das Gefühl, dass die eigene Arbeit ineffektiv und sinnlos geworden ist, sowie

-          der Widerwille gegenüber den Menschen, die einem am Arbeitsplatz begegnen.

 

„Stete Tropfen höhlen den Stein“: Selbst eine vereinzelt auftretende massive negative Stresserfahrung (vgl. z.B. Scheidung oder Tod eines Angehörigen) hat oft weniger negative Konsequenzen für den Organismus als permanente „kleinere“ Überforderungserfahrungen und das Gefühl die Kontrolle über sich selbst und das eigene Leben zu verlieren. Dabei entscheidet jedes Individuum meist selbst darüber, ob ein Ereignis positiv oder negativ erfahren wird – es kommt darauf an, wie man es beurteilt. Es gibt nur wenige „absolute“ Stressoren, die generell als Beeinträchtigung der Lebensqualität empfunden werden, wie zum Beispiel „Lärm“. Musik hingegen wird dem einen zur Bereicherung, dem anderen zur Belästigung – je nach Geschmack. Hauptstressor Nummer Eins sind demnach immer wieder wir selbst und unsere Neigung alles und jeden zu be- oder gar zu verurteilen. Von großer Bedeutung ist hier, dass nicht eine Sicht auf einen Sachverhalt als richtig angesehen wird, sondern es viele Varianten gibt, wie eine Situation eingeschätzt werden kann. Folgerichtig erweist sich dann auch jedes Urteil gleichermaßen als mögliches Fehlurteil.  Weniger Be- und Verurteilung (insbesondere der eigenen Person) lässt aber mehr Raum für konstruktive Lösungen in Konfliktfällen und sorgt für mehr Flexibilität und Offenheit. Dazu können vor allem Intervision oder Supervision einen positiven Beitrag leisten.

Dem eigenen Stress Herr zu werden erfordert demnach „ die Gelassenheit, Dinge anzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden“

(Reinhold Niebuhr zugeschrieben).

 

 

 

Das Konzept der Salutogenese nach Antonovsky (1923 – 1994)

 

Beobachtungen Antonovskys, dass etwa ein Drittel ehemaliger weiblicher KZ-Häftlinge trotz massiver traumatischer Belastungen entgegen allen Lehrmeinungen der Medizin gesund geblieben waren und trotz z.T. ungesunder Lebensweise auch im Alltag erstaunliche Widerstandskräfte gegen körperliche Erkrankungen entwickelten, führten zu diesem Konzept, das Antonovsky in der sog. „Flussmetapher“ (1979) veranschaulicht:

„Die Menschen schwimmen in einem Fluss voller Gefahren, Strudeln, Biegungen und Stromschnellen. Der Arzt einer pathogenetisch orientierten Medizin kann versuchen, den Ertrinkenden aus dem Strom zu reißen. In der Salutogenese geht es um mehr: Es gilt den Menschen zu einem guten Schwimmer zu machen.“ 

So gesehen lehnt Antonovsky  den Gegensatz „krank vs. gesund“ ab. Er geht davon aus, dass jeder Mensch zu jedem Zeitpunkt sowohl kranke als auch gesunde Anteile hat (vgl.„Gesundheits-Krankheits-Kontinuum“).

Stressoren sind für ihn „eine von innen oder außen kommende Anforderung an den Organismus, die sein Gleichgewicht stört und die zur Wiederherstellung des Gleichgewichts eine nicht-automatische und nicht unmittelbar verfügbare, Energie verbrauchende Handlung erfordert“. (Antonovsky, 1979)

Ein ausgeprägtes Kohärenzgefühl sorgt dabei für eine grundlegende Zuversicht, dass eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass sich die Angelegenheiten so gut entwickeln, wie man dies vernünftiger Weise erwarten kann: Nicht nur „Eltern im Katastrophenalarm schaden der Psyche ihrer Kinder“ (Michael Winterhoff in „Schule und Wir“ 2013), sondern auch Pädagogen – und diese natürlich auch sich selbst.

Die wiederkehrende Erfahrung auch unter widrigen Bedingungen persönliche Herausforderungen gemeistert zu haben, sorgt im Gegensatz hierzu für ein Gefühl von Kontrolle über das eigene Leben und führt zu Generalisierten Widerstandsressourcen.

 

Ob eine Situation als Herausforderung oder als Zumutung begriffen wird, hängt in entscheidendem Maß davon ab, welche Problemlösungskompetenzen der einzelne zu haben glaubt und welche Erfahrungen er zuvor in ähnlichen Momenten gemacht hat.

In der Folge zeitigen angemessene Reaktionen eine Zunahme der Summe von Fähigkeiten mit Stress zurechtzukommen -  und das subjektive Empfinden ein „guter Schwimmer“ zu sein verstärkt sich.

 

Stresspersönlichkeiten

 

Insbesondere „Perfektionisten“ und „Helfer“ scheinen im Lehrerberuf in höherem Maß stressanfällig zu sein. Glaubenssätze, die oft aus der Kindheit stammen – wie „ich bin dann gut, wenn ich für andere da sein kann“ oder „ich bin dann gut, wenn ich es perfekt mache“, stellen offenbar gerade im Berufsfeld „Schule“ Grundeinstellungen dar, die auf Dauer im Alltag zu energetischen Defiziten führen, da gerade hier häufiger die Grenzen der eigenen Belastbarkeit überschritten werden.  So stellt es für viele Lehrkräfte ein Dauerproblem dar, Stunden immer wieder nicht perfekt vorbereiten oder nicht für alle Schüler in ausreichendem Maße da sein zu können.

 

Schaarschmidt/Fischer (2001) unterscheiden folgende vier Muster arbeits-bezogenen Verhaltens und Erlebens:

 

 

 

 

Muster G
Hohes Engagement,
hohe Widerstandskraft,
positives Lebensgefühl

Muster S
Schonungstendenz,
hohe Widerstandskraft,
positives Lebensgefühl

Risikomuster A
Überhöhtes Engagement,
reduzierte Widerstandskraft,
eher negatives Lebensgefühl

Risikomuster B
Geringes Engagement,
reduzierte Widerstandskraft,
negatives Lebensgefühl

 

(vgl.:http://www.zlb.uni-freiburg.de/derlehrerberuf/dateien/schaarschmidt-heidelberg-09.pdf sowie: www.arbeitsschutz.nibis.de/seiten/themen/psych_bel_gru/lehrergesundheit/medien/psychische_belastung_im_lehrerberuf.pdf)

 

 

Hilfen bei Stress

 

 

Nach Bangert (2004) lassen sich zehn Bausteine aktiven Selbstmanagements ausmachen, in deren Mittelpunkt die persönlichen Erklärungsmuster für Belastungen, Denkstile und subjektive Theorien stehen. Auch nach Ansicht der Konstruktivisten (vgl. P. Watzlawick) schafft sich jeder Mensch seine eigene Wirklichkeit, die sich von den Wirklichkeiten anderer unterscheidet, ist jeder Mensch ein Stück weit in seiner subjektiven Welt gefangen. Demnach ist es hilfreich alle Bausteine hinsichtlich der dahinter stehenden persönlichen Hintergründe zu reflektieren und Handlungen und Haltungen sukzessive den jeweiligen (Stress)Situation anzupassen bzw. auszubalancieren:

 


Entstresster Schualltag/Disziplinmanagement/Konsequentes Zeitmanagement/Organisierter Arbeitsplatz

Regelmäßige Entspannung/Gesprächs- und Konfliktführung/ Gesundheitsförderlicher Unterricht

Reflektierter Perfektionismus/ Mobbing bekämpfen/Gesundheitsförderlicher Führungsstil - und vor allem:

Persönliche Erklärungsmuster für Belastungen, Denkstile, subjektive Theorien

 

 

(vgl. http://www.arbeitsschutz.nibis.de/seiten/allgembild/grundschule/dokumente/Gesundheitsfoerderung/11_Selbstmanagement.pdf - sowie: http://www.carsten-bangert.de/resources/Carsten+Bangert_Lehrergesundheit+-+ein+F$C3$BChrungsthema+2008.pdf)

 

 

Dabei kann auch eine Orientierung an erfolgreichen Modellen von Nutzen sein. P. Vogt (2005) fasst folgende Fähigkeiten und Kompetenzen „als hochwirksam im Sinne der Burn-out-Prophylaxe“ zusammen:

 

-          Kompetenz (fachlich, pädagogisch, emotional)

-          Soziale Unterstützung

-          Selbstvertrauen

-          Energieauffüllmöglichkeiten

-          Empathiefähigkeit

-          Fähigkeit ein gutes Lernklima zu schaffen

-          Genussfähigkeit

-          Humor als Selbstdistanzierungsfähigkeit

-          Positives Feedback

-          Hobbys, Interessen

-          Über die Schule hinausreichende Lebensorientierung

-          Bewegung

-          Entspannung/Meditation

 

 

 

Darüber hinaus liefert das Chairperson-Postulat der TZI (Themenzentrierte Interaktion) nach R. Cohn (1984) ein gutes Leitbild für Eltern und Pädagogen:

 

„Sei dein eigener Chairman/Chairwoman, sei die Chairperson deiner selbst. (…) Sei dir deiner inneren Gegebenheiten und deiner Umwelt bewusst. Nimm jede Situation als Angebot für deine Entscheidungen. Nimm und gib, wie du es verantwortlich für dich selbst und andere willst. Meine eigene Chairperson zu sein bedeutet, dass ich mich als einzigartiges, psychobiologisches, autonomes Wesen anerkenne – begrenzt in Körper und Seele, in Raum und Zeit und lebendig im lernenden, schaffenden Prozess. Ich bin verantwortlich für meine Anteilnahme und meine Handlungen, nicht aber für die der anderen. Ich kann jedoch anbieten und biete an, so gut ich kann. Ich bin nicht allmächtig; ich bin nicht ohnmächtig; ich bin partiell wichtig. Und ich bin immer nur meine eigen Leitperson und nie die des anderen, außer wenn dieser seine Bewusstheit verliert oder noch nicht erreicht hat.“ (Farau/Cohn, 1984, S. 358f)

 

Für Berufsanfänger  ist es diesbezüglich besonders wichtig sich mit Ihrer Rolle bzw. mit Ihren vielen neuen Rollen als z.B.  „Kollege-Konkurrent“, „als Geprüfter-Prüfer“ oder als „Lehrer-Schüler“ selbstreflexiv und kritisch auseinanderzusetzen: Ihr „inneres Team“ bekommt neue Mitglieder (vgl. Schulz von Thun), die alle gehört und in ihren Bedürfnissen respektiert werden wollen. Die klare Entscheidung beispielsweise des Referendars/der Referendarin den Rollenerwartungen von Schülern/innen hinsichtlich eines professionellen Lehrers gerecht werden zu wollen, sorgt in der Regel für mehr Akzeptanz und Durchsetzungsvermögen und verringert verunsichernde Mehrdeutigkeiten und Disziplinprobleme.

 

 

 

BALANCE und Konfliktfähigkeit

 

Angesichts der steigenden Zahlen an psychosomatischen Erkrankungen stellt es eine besondere Herausforderung für jeden Pädagogen oder Erziehungsberechtigten dar sich immer wieder professionell um einen Ausgleich und innere Balance im Alltag zu kümmern. Mit sich gütig und seinen Ressourcen vernünftig umzugehen, sich Pausen und Entspannungsphasen zu gönnen und zwischen sinnvoller Belastung und sinnloser Entlastung zu unterscheiden, muss vielfach erst gelernt werden – es gilt Lebensweisen zu verändern; ein Prozess, der Zeit braucht. Sich körperlich besser wahrnehmen zu können sowie Einsichten zu gewinnen über eigene „Glaubensätze“ und über die daraus entstehenden Stressszenarien, stellen bereits erste Schritte zu mehr Stressresistenz dar.

 

Das Praktizieren von Entspannungs- oder Meditationsverfahren (z.B. Jakobsons-Muskelentspannung, Autogenes Training, Tai Chi, Qi Gong, Achtsamkeitstraining, Yoga u.a.) stellt  ein äußerst wirksames Hilfsmittel zur Wahrnehmungssensibilisierung und  Stressreduzierung dar. Insbesondere Achtsamkeitsübungen, wie z.B. in Form einer Zen-Meditation oder das Meditationsprogramm nach Jon Kabat-Zinn, zeitigen sehr positive Resultate, da sie auf den Menschen in seiner Ganzheit „wirken“ und dem ständigen Gedankenstrom, dem permanenten Urteilen wie auch der Reizüberflutung von außen die nachhaltige Vehemenz nehmen. Im Zentrum dieser Techniken stehen der „Atem“ (vgl. auch den Zusammenhang zwischen Bauchatmung und Entspannung) und das nicht-wertende Beobachten des jeweiligen Moments. Werden diese Entspannungs- und Wahrnehmungsmuster in regelmäßigen Übungsformen gelernt und vertieft, ergeben sich Freiräume und Möglichkeiten zu mehr Gelassenheit im Umgang mit sich selbst und anderen - insbesondere in stressbeladenen Situationen.

 

Das WAAGE-Programm (nach Stollreiter/2000 – vgl. bpv, S. 26 f) übernimmt Aspekte o.a. Verfahren und lässt sich im Alltag situativ anwenden:

 

W – Wahrnehmen des Problems, des jeweiligen Gegenübers und der eigenen (inneren) Reaktionen

 

A – Akzeptieren und Annehmen der Problematik in ihrer jeweiligen Erscheinungsform (ohne diese ZUSÄTZLICH negativ zu be- oder verurteilen)

 

A – Abkühlen sowie Aktivierung von Ressourcen (z.B. Anwendung von Atemtechniken, Vertagung des Konfliktlösungsgesprächs oder Vorbereitung dieses Gesprächs)

 

G – Gewohnheiten hinterfragen und u. U. verändern (z.B. Tagesrhythmisierung von Anstrengung und Entspannung, Beachten des eigenen Biorhythmus)

 

E – Einstellungsmodulation, die ein JA zum Beruf beinhalten und die eigene Widerstandsfähigkeit stärken

 

 

 

Außerdem sind Pausen von großer Wichtigkeit bezüglich der Regeneration. Ein wiederkehrender Mangel an Schlaf beispielsweise stellt eine besondere Gefahr dar, da die Leistungsfähigkeit dann stark ab-, die Stress- und Krankheitsanfälligkeit in hohem Maß zunimmt. Hier situativ körperliche Bedürfnisse wahr und ernst zu nehmen, schützt langfristig vor negativen Entwicklungen. Dies gilt auch für „Bewegungspausen“: Hier werden Aggressionen und überschüssiges Adrenalin abgebaut und positive Botenstoffe und Hormone frei gesetzt, allerdings nur, wenn die körperliche Betätigung nicht mit einem Leistungsanspruch verbunden und  als angenehm empfunden wird.

Oft jedoch werden diese notwendigen „Zeit-lass-Inseln“ mit dem Hinweis, dass dazu die Zeit fehle, erst gar nicht aufgesucht oder zu bald wieder verlassen. Dies beruht auf dem weit verbreiteten Irrtum, Stress sei die Folge von Zeitmangel. Stattdessen  resultiert das Gefühl keine Zeit zu haben vielmehr aus der Wahrnehmung heraus gestresst zu sein. Termindruck ruft solange keinen Dysstress hervor, solange wir uns als Herren der Lage fühlen. Ängste und Kontrollverlust aber setzen eine Stressreaktion in Gang – unabhängig von der zur Verfügung stehenden Zeit. Problemlösefähigkeit und Kreativität sinken – der so Gestresste macht Fehler, muss diese korrigieren, verzettelt sich… und braucht insgesamt mehr Zeit. Das einfachste und effektivste Mittel: Statt den Einsatz und die Anstrengung zu erhöhen, sollte man eine ausreichend lange (oft genügt eine halbe Stunde) Atem- und/oder Bewegungspausen einlegen, um Adrenalin und Stresshormone abzubauen und konzentriertes Arbeiten wieder möglich zu machen. Das sog. „Pareto-Prinzip (80/20)“ spricht sogar davon, dass der Handelnde im Durchschnitt nur 20% seiner Zeit benötigt um 80% seiner Aufgabe zu erledigen, die anderen 80% der Zeit  benötigt er um eine noch weitere Verbesserung des oft ohnehin schon recht guten Ergebnisses zu erreichen.

 

Dass eine bewusste und ausgewogene Ernährung das allgemeine Wohlbefinden auf Dauer positiv beeinflusst, steht außer Frage. Eine natürliche Ausbalancierung ist auch in diesem Bereich grundsätzlich der künstlichen vorzuziehen. Nikotin, Koffein, Alkohol und vor allem Zucker werden oft kurzfristig als Stress mindernd bzw. Leistung steigernd empfunden. Mittel- und längerfristig jedoch wird der Organismus durch diese Arten der Manipulation zusätzlich belastet. Wird beispielsweise der Blutzuckerspiegel durch den Genuss von Süßigkeiten oder zuckerhaltigen Getränken rasch in die Höhe getrieben, steht dem Organismus sehr kurz sehr viel Energie zur Verfügung. In der Folge aber wird dieses Zuviel ausgeglichen: Der Blutzuckerspiegel fällt stark ab – und über einen längeren Zeitraum bleibt die Leistungsfähigkeit ebenso stark eingeschränkt, Müdigkeit und Nervosität („Minientzug“) wachsen an

 

Innerhalb der eingangs angesprochenen „Wachstumshaltung“ sind vor allem zwei zentrale Aspekte anzusprechen - „Sinn“ und „Güte“: Wer weiß, warum er mit Kinder bzw. jungen Erwachsenen leben und arbeiten will, der findet oft auch allen Widrigkeiten zum Trotz im Lehrerberuf oder als Erzieher oder als Elternteil ausreichend Kraft und Geduld für sinnvolle Wege. Wer lernt über sich selbst herzlich lachen zu können, stärkt seine Selbstdistanzierungsfähigkeit und damit die Bereitschaft sich von sich selbst und den Umständen nicht alles gefallen zu lassen (vgl. V. Frankl). Wer sich darüber hinaus als vom Leben Befragter begreift, der situativ möglichst sinnvolle und Wohl wollende Antworten finden soll, verlässt die Opferhaltung und verwandelt  sich in einen Handelnden mit Gestaltungsmöglichkeiten – aus Zumutungen werden Möglichkeiten zu persönlichem Wachstum, und das ein Leben lang.

 

 

 

 

„Gras wächst nicht schneller, auch wenn man dran zieht.“

 

(Afrikanisches Sprichwort)

 

                                                                                                                c/Jürgen Bader 2014